Dies ist einer meiner wenigen Einzelbände, der die Geschichte von der eigentlich ganz normalen Néle erzählt, die sich ohne Vorwarnung in der Parallelwelt Loreen wiederfindet, wo ihr eröffnet wird, dass sie eine Weltenwandlerin ist und es an ihr liegt, tausende Welten vor ihrem Untergang zu retten.
Die Hüterin der Welten:
Print: 548 Seiten
Kosten: Ebook 3,99 €
Print 16,99 €
Verlag: Books on Demant
Erschien erstmals: 06/2016
Genre: Fantasy
Klappentext:
Die Weltenuhr ist ein mystisches Gebilde, das die unterschiedlichen Welten und den Schleier, der sie voneinander trennt, im Gleichgewicht hält. Die Hüter in Loreen wissen das, doch Néle, die ein völlig normales Leben auf der Erde führt, ahnt davon nichts. Doch der Schleier wird immer dünner und fremde Krieger wollen sich der anderen Welten bemächtigen.
Völlig unverhofft findet sich Néle in Loreen wieder, wo sie auf Menschen trifft, die ihre Hilfe brauchen. Denn nur sie scheint die Gabe zu besitzen, den Schleier wieder zu festigen und die Welten vor der vollständigen Vernichtung zu retten.
Nun ist es an ihr, sich zu entscheiden, ob sie ihr Schicksal annimmt oder nicht.
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Hier ist eine kurze Leseprobe für euch:
Prolog
Es war ein wundervoller Tag in einem besonders früh einkehrenden Frühling und Mathey reckte einen Moment lang sein Gesicht in die warmen Strahlen der Sonne. Hier am Rande der Stadt in der königlichen Garnison war es still und nur das Rauschen des nahen Flusses zu hören.
Dann rief Liam, der neben ihm stand, einen Befehl und die ihnen unterstellten Ritter begannen ihr tägliches Training. Der Exerzierhof wurde nun von dem hellen Klirren der Schwerter erfüllt und die Ruhe war dahin. Mit einem leisen, bedauernden Seufzen senkte Mathey das Gesicht wieder und beobachtete die Ritter.
„Du scheinst heute nicht ganz bei der Sache zu sein“, bemerkte Liam und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Da könntest du sogar Recht haben“, erwiderte Mathey. „Ich mache mir Sorgen um die Instabilitäten, die im Nordwesten aufgetreten sind.“
Liam schnaubte. „Wer von uns nicht? In den letzten Jahren sind immer mehr von den Rissen aufgetaucht. Zwar waren sie nur für kurze Zeit offen, aber lang genug, um anderen einen Einblick in unsere Welt zu ermöglichen. Ein paar unserer Späher haben sogar berichtet, dass durch eines eine Gruppe Krieger gekommen ist, die sich dann die Gegend besahen.“
„Hoffentlich wird nicht die Gier auf unsere Welt in ihnen geweckt“, murrte Mathey. Denn die Aufgabe von ihm, Liam und seinen Ritter beinhaltete auch, so etwas zu verhindern. Ihre Welt war eine von vielen, doch nur die wenigstens wussten von der parallelen Existenz. Leider schwanden die Schleier, die die Welten trennten, seit eine unerhörte Katastrophe geschah. Nur noch ein Relikt, das sich gut gesichert im Schloss befand, verhinderte, dass sich unkontrolliert Tore auftaten.
Liam öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, doch wurde er von einer gewaltigen Explosion aufgeschreckt. Entsetzt wirbelten sie herum und blickten zu einem der beiden Türme des Schlosses, das hinter der Garnison aufragte. Qualm drang aus jedem einzelnen Fenster und noch immer grollte die Erde unter ihren Füßen.
„Meister Aurellos“, keuchte Mathey und rannte bereits den altbekannten Weg Richtung Schloss. Liam folgte ihm auf den Fuß.
Während sie so schnell, wie es ihre Rüstungen zuließen, auf den Ort des Geschehens zueilten, sah Mathey wie ein helles Leuchten zwischen den Rauchfahnen funkelte. Es erstrahlte kurz und splittete sich in vier Lichter auf, von denen drei in verschiedene Himmelsrichtungen davonflogen. Fest biss Mathey die Zähne aufeinander und steigerte sein Tempo noch etwas.
Schreiende Menschen kamen ihm und seinen Rittern entgegen, als sie das große Portal des Schlosses erreichten. Die Bediensteten brachten sich hustend in Sicherheit und er musste sich durch ihre Reihen kämpfen, als die Menschen ihre Angst an der frischen Luft vergasen und auf all den Qualm gafften.
„Beiseite!“, rief Liam harsch und die Menge teilte sich eiligst. Ohne zu zögern tauchte Mathey in den dichten Rauch ein. Zwar begann er sich bereits wieder zu lichten, doch trotzdem sah man kaum die Hand vor den Augen. Mathey wandelte aber bereits seit seinem dreizehnten Lebensjahr durch diese Gänge und fand den Weg blind.
„Meister Aurellos!“, rief er, kaum dass er durch die vollkommen zerstörte Tür in die Arbeitsräume des älteren Mannes stürmte.
„Es ist gut, mein Junge“, hörte er eine sehr vertraute Stimme. Erleichtert atmete Mathey auf, als er den Hüter in dem sich lichtenden Rauch erkannte.
„Was ist denn nur passiert?“, fragte er und trat an die Seite seines Mentors. Scharf sog Liam neben ihm die Luft ein, als sie sahen, worauf der ältere Mann blickte.
Eine kleine Vitrine stand mitten im Raum. Mathey wusste, dass sie vor zwei Stunden noch von dickem Glas umschlossen war, das nun in winzigen Scherben auf dem Boden verteilt lag.
„Was passiert ist, fragst du, Liam?“, redete Meister Aurellos weiter. „Das Schlimmste, was passieren konnte.“ Sacht beugte er sich vor und nahm einen Splitter auf, der auf dem Podest in der Vitrine lag. Es war ein Stück Glas, das in einem sanften, blauen Licht schimmerte. „Die Scherbe der Weltenuhr ist zerbrochen und die Splitter sind auf und davon.“
Mathey schloss um Kraft bittend die Augen, wogegen Liam wüst fluchte. „Das kann doch nicht wahr sein!“
„Doch, mein Junge, wir wussten, dass dies irgendwann passieren würde“, meinte Meister Aurellos mit einem bekümmerten Seufzen.
„Und was machen wir nun?“, fragte Mathey.
„Hoffen, mein Junge, hoffen.“
Kapitel 1
Erschöpft von der Woche schloss Néle die Tür zu ihrer Wohnung auf. Es war ein anstrengender, nervenaufreibender Tag gewesen und sie hatte das Gefühl, dass die Kunden heute umso ungeduldiger waren. Doch sie konnte das verstehen. Der Herbst begann und damit die Planungen auf Weihnachten und deren Events. Sie war selbst Schuld, dass sie nach ihrem Studium in der größten Eventagentur der Stadt anfangen musste. Ihr Freund machte ihr nicht grundlos so oft Vorwürfe, dass sie zu viel arbeitete und sich kaum Freizeit gönnte. Aber ihr Job machte ihr Spaß.
„Ich bin zu Hause“, rief sie laut und warf ihren Schlüssel in einen kleinen Korb neben der Tür. Als sie in den großen, offenen Wohnraum trat, seufzte sie. Wieso nur musste Jake so unordentlich sein? Er arbeitete bei weitem weniger als sie, schaffte es aber nicht, die Wohnung etwas aufzuräumen. Missmutig hob sie ein Pullover von ihm auf, den er einfach zu Boden hatte fallen lassen. Wäre es denn zuviel verlangt…? Nein, sie würde sich nicht darüber aufregen. Schließlich hatte sie gewusst, worauf sie sich einließ, als sie ihn in ihre Wohnung einziehen ließ.
„Hey Süße, dein Tag war heute wohl wieder sehr anstrengend?“, hörte sie Jake sagen, der durch einen kleinen Flur in den Wohnraum trat. Er war ein hübscher Mann mit dunklen, dichten Locken und strahlend blauen Augen. Er zog Néle in seine Arme und küsste sie kurz zur Begrüßung.
„Ja, mehr als das sogar“, erwiderte sie und lehnte sich einen Moment an ihn, bevor sie sich auf den Weg ins Schlafzimmer machte, aus dem Jake gerade gekommen war. „Und es wäre wohl eine gute Idee, wenn ich noch laufen gehe, um den Kopf von all dem frei zu bekommen. Wäre es möglich, dass du in der Zwischenzeit Essen machst?“, fragte sie und warf ihm einen bittenden Blick zu.
„Aber nur, wenn du dir dann den Rest des Abends Zeit für mich nimmst“, verlangte Jake mit einem Lächeln. Néle erwiderte es, während sie bereits aus ihrer Bluse schlüpfte. „Das sollte ich einrichten können.“
Er sah ihr zu, wie sie ihre Sportkleidung anzog und ihren MP3-Player vom Nachttisch nahm. „Wie lange wirst du denn brauchen?“, fragte er, als Néle bereits wieder an ihm vorbei in den Wohnraum ging. Sie trat an die offene Küche und trank einige Schlucke aus der Flasche, die sie erst heute Morgen in aller Eile geöffnet hatte. „Wie immer in etwa eine Stunde“, erwiderte sie.
„Bis dahin sollte ich für uns etwas organisiert haben“, versprach er. Erfreut, dass zumindest hier alles reibungslos funktionierte, küsste sie Jake noch einmal kurz.
„Danke, du bist der Beste.“
„Ich weiß, Süße.“
Dann war Néle bereits wieder aus der Wohnungstür. Vielleicht schien das alles ein wenig gehetzt, aber so war Néles Leben einfach. Und nicht nur das ihre, sondern das aller Menschen hier in der Stadt. Außerdem wusste sie, dass sie es niemals geschafft hätte, sich erneut aufzuraffen, wenn sie sich auch nur einen Moment hinsetzte. Um wieder aufzustehen, war sie inzwischen einfach zu erschöpft. Doch wenn sie nun nicht laufen ging, würde sie die Gedanken an die Arbeit nicht los werden und nachts schlecht schlafen.
Sie sah auf die Uhr, als sie den Knopf für den Fahrstuhl drückte, der sie vor zehn Minuten erst hier herauf gebracht hatte. Es war bereits kurz nach sieben. Vielleicht sollte sie morgen eine Stunde später in die Firma. Das nächste Event war fast abgeschlossen und da konnte sie sich das durchaus leisten. Und zudem mit Jake eine Stunde länger schlafen. Ja, das klang verlockend.
Néle reckte sich und wärmte sich mit ein paar Übungen auf, während sie aus dem zwanzigsten Stock hinab ins Erdgeschoss fuhr. Sie schaltete die Musik ein und trat in den großen, einladend wirkenden Flur. Er war ziemlich dekadent und jedes Mal, wenn Néle ihn betrat, dachte sie, dass sie unverschämtes Glück hatte, dass sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren bereits in so einer Immobilie wohnte. Doch sie arbeitete hart dafür.
Kaum dass sie durch die gläserne Eingangstür die Straße erreichte, atmete sie tief durch und lief los. Das Gerano-Event war so gut wie fertig und Néle musste morgen nur noch einige Anrufe tätigen und eine kurze Besprechung mit dem Team machen, dann konnte sie beruhigt ins Wochenende gehen und einfach mal wieder abschalten. Das brauchte sie auch und Jake würde sich darüber freuen. Sie war ihm dankbar, dass er so viel Verständnis für ihre Arbeitswut hatte. Néle wollte sich gern einen Namen in ihrer Arbeitswelt schaffen und sie wusste nur zu genau, dass darunter ihr Privatleben litt. Doch Jake hatte das von Anfang an gewusst, genauso wie sie von seiner Unordentlichkeit.
Zufrieden damit, so wie es jetzt war, lief Néle durch den Abend und ließ den ganzen Tag Revue passieren. Dabei genoss sie den Anblick der Stadt bei Dunkelheit. All die vielen Lichter, durch Autos, Reklametafeln und beleuchtete Fenster verursacht, zogen an ihr vorbei, während sich die Hochhäuser weit über sie erstreckten. Obwohl sie in einer der größten Städte des Landes wohnte, hatte sie keine Angst davor, dass sie auf ihrem Weg überfallen werden konnte. Wer hier wohnte, lernte sich schnell zu verteidigen und das wussten sogar die Verbrecher. Daher genoss Néle den ausdauernden Lauf über die Gehwege, an Menschen und Geschäften vorbei.
Doch an diesem Abend sollte er nicht lange währen. Denn plötzlich kam Néle aus dem Tritt und stolpernd zum Stehen. Überrascht blickte sie auf den gerissenen Schnürsenkel an ihrem linken Schuh. Das durfte doch nicht wahr sein! Die Schuhe waren so teuer gewesen, da konnte man doch ein wenig mehr Durchhaltevermögen erwarten… Mit einem frustrierten Schnauben sah sie auf die Uhr. Sie war keine zehn Minuten gelaufen, doch so konnte sie nicht weiter. Also machte sie schweren Herzens kehrt und ging zurück nach Hause. Ärgerlich, aber dann würde sie ja vielleicht mit Jake zusammen kochen können.
Eine viertel Stunde später öffnete sie die Tür zu ihrer Wohnung erneut. Überrascht stellte sie fest, dass Jake noch nicht mit Kochen angefangen hatte. Was konnte er denn so schnell zubereiten? Dann erblickte sie auf dem Küchenblock eine Tüte mit dem markanten Logo des italienischen Restaurants auf der anderen Straßenseite. Néle verkniff sich gerade so ein Lächeln. Jake war wirklich faul. Und irgendwie hatte er es sogar geschafft, in der halben Stunde, die sie weg war, noch mehr Unordnung zu schaffen. Auf dem Boden lagen ordentlich verteilt noch mehr Klamotten.
Mit einem belustigten Schnauben bückte sich Néle nach einem der Teile und hob es auf. Doch kaum hielt sie es in Händen, erstarrte sie. Es war eindeutig ein Frauenoberteil, aber keines das ihr gehörte. Entsetzen und Ungläubigkeit machten sich in ihr breit und ihr Blick suchte die Kleidung ab, die noch auf dem Boden lag: Ein Rock, eine Strumpfhose, dazwischen ein Highheel. Néle wurde richtig schwindelig. Sie haderte einen Moment mit sich, ob sie wirklich die Wahrheit wissen wollte.
Doch dann schloss sie lautlos die Wohnungstür hinter sich und zog mit zitternden Fingern die Kopfhörer aus den Ohren. Sie konnte ein Schluchzen nicht mehr ganz unterdrücken, als die laute Musik die doch sehr markanten Geräusche eines lustvollen Liebesspiels nicht mehr übertönten.
Eine Welt brach für Néle zusammen. Sie hatte immer gewusst, dass Jake sich ein wenig vernachlässigt fühlte, aber dass es so weit kommen würde, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Jake betrog sie gerade! Und er war auch noch so dreist, es in dieser kurzen Zeit zu tun!
Nur diese Gedanken wallten durch ihren Kopf und Tränen wollten sich in ihre Augen drängen. Doch Néle hatte gelernt, stark zu sein. In dieser Stadt überlebte man nicht sonderlich lange, wenn man sich seine Gefühle so stark ansehen ließ.
Also atmete sie tief durch, während sie hörte, wie Jake mit irgendeiner anderen Frau gerade richtig in Fahrt kam. Wut wallte heiß in ihr auf und ohne ihr Zutun trugen ihre Füße sie zur Küche. Ihre Finger griffen eines der langen Messer und sie schritt weiter Richtung Schlafzimmer. In meinem Bett!, dachte sie wütend und der laute Höhepunkt der beiden brachte Néles Selbstbeherrschung fast zur Aufgabe.
Am ganzen Körper zitternd trat sie in das Zimmer und hätte ihre Augen vor dem Anblick, wie ihr Freund mit einer anderen Frau fest umschlugen dalag, am liebsten verschlossen. Stattdessen straffte sie sich.
„Wenn du Flittchen nicht in drei Sekunden aus meiner Wohnung verschwunden bist, schwöre ich dir, dass ich dir dieses Messer in den Rücken ramme!“, sagte sie möglichst ruhig und stolz darauf, dass ihre Stimme kaum zitterte.
Erschrocken wichen die beiden voneinander und Jake sah sie fast schon entsetzter an, als die blonde Frau an seiner Seite. „Oh mein Gott“, hauchte die nur, war aber so geistesgegenwärtig und sprang sogleich auf, griff sich ihre Sachen und eilte hinaus. Néle sah das kaum, denn ihr Blick war auf Jake gerichtet, der sie nur anstarren konnte. Die Frau war ihr egal.
„Warum?“, fragte sie, als sie die Wohnungstür zufallen hörte.
Jake schien sich zu fangen, denn er schüttelte mit einem Schnauben den Kopf und schickte sich an, aus dem Bett zu steigen. „Das fragst du jetzt doch nicht wirklich, oder? Néle, du bist praktisch nie da. Deine Arbeit ist für dich das Wichtigste auf der Welt und irgendwann beginnt man einfach, sich überflüssig zu fühlen. Ich habe mich einfach nach mehr Nähe gesehnt.“
„Und dann suchst du dir die bei irgendeiner anderen, anstatt das mit mir zu besprechen?“, rief Néle und nun zitterte ihre Stimme doch.
Jake griff nach seiner Unterwäsche und schlüpfte hinein, bevor er weiter sprach. „Wann sollten wir denn schon Zeit haben, miteinander zu reden? In den zwei Minuten, die du zum Umziehen hernimmst, bevor du wieder weg musst? Oder während du von deiner Arbeit redest?“
Néle war empört. „Willst du jetzt etwa mir die ganze Schuld an dieser Situation geben?“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe.
Ernst sah Jake sie an. „Ja“, sagte er nach einem Moment des Schweigens.
Das war zu viel.
„Geh!“, forderte Néle gefährlich still und deutete mit dem Messer hinaus in den Flur.
Nun schien Jake ehrlich überrascht. „Du willst mich einfach rausschmeißen?“
„Was denkst du denn? Dass du liebend gern hier bleiben darfst? Raus, habe ich gesagt!“ Die letzten Worte schrie sie ihm aus vollem Halse entgegen.
Jakes Blick verdüsterte sich. Ohne ein weiteres Wort glaubte er seine Sachen zusammen und ging an ihr vorbei. Néle folgte ihm, noch immer vor Wut und Unglauben zitternd. „Weißt du“, begann Jake noch einmal, als er bereits die Tür öffnete. Seine Ruhe trieb Néle beinahe in den Wahnsinn. „In all den Jahren, die wir zusammen waren, habe ich dich nie weinen sehen. Und auch jetzt sind deine Augen mehr als trocken. Du bist wirklich eine eiskalte Frau.“
Sagte das gerade der Mann, der sie betrogen hatte? Vielleicht sogar mehrfach? Ohne nachzudenken, griff sie nach der Blumenvase, die neben ihr auf einer Kommode stand und warf sie mit all ihrer Kraft und Wut nach ihm. Er schaffte es gerade noch auszuweichen und die Vase zerschellte mit einem hellen Ton an der Wand des Flures. „Verschwinde!“, schrie sie ihn an.
„Aber…“, begann Jake erneut.
„Hau ab! Und wenn ich dich noch einmal hier sehe, dann gnade dir Gott!“ Als sie das Messer hob, das noch immer in ihrer Hand lag, zog sich Jake in den Flur zurück. Mit Wucht schlug Néle die Tür hinter ihm zu.
Sie zitterte so stark, dass sie sich gegen das Holz lehnte und das Messer einfach fallen ließ. Einen Moment stand sie nur da, dann brach der Schmerz über ihr zusammen und die Tränen kamen. Schluchzend glitt sie an der Tür zu Boden und schlang die Arme um sich. Sie hatte Jake wirklich von ganzen Herzen geliebt, aber er hatte es ihr brutal aus der Brust gerissen und mit seinen Anschuldigungen noch zusätzlich darauf herumgetreten. Sie fühlte fast den körperlichen Schmerz und ließ ihrer Wut, Frustration, Trauer und auch Angst freien Lauf.
Lange Zeit saß sie einfach da und weinte.